Erfüllt oder voll? Teil I

Wenn wir ehrlich sind, geht es uns oft so: Wir sind randvoll! Nicht unbedingt mit Bier oder Alkohol, sondern mit den täglichen Dingen des Lebens.
In Gesprächen mit vielen Mitarbeitern in christlichen Gruppen und Gemeinschaften bin ich in letzter Zeit immer wieder auf ein Phänomen gestoßen: Die Klage über das Lebensgefühl: „Ich bin randvoll, es ist mir zu viel, mir reicht es jetzt eigentlich!“ Kennt ihr das?

Es beklagt sich keiner, dass er von allen möglichen Dingen erfüllt ist, sondern voll! Wenn es euch noch nie so gegangen ist oder ihr den Eindruck habt, das ist kein Thema für Euch, dann könnt ihr die ihr euch getrost zum nächsten Beitrag hier weiterclicken. Er ist nicht für Euch. Wenn ihr mit diesen Gefühlen aber schon Bekanntschaft gemacht habt, dann werdet ihr aus den folgenden Zeilen etwas für Euch mitnehmen.
In Management- oder Leiterseminaren bekommen wir nun beigebracht, das wir nur einen Teil unserer Zeit verplanen sollen, wir sollen einen Puffer haben. Wir sollen erst nachdenken und unsere Zeit planen und entsprechend einteilen, damit das Phänomen: „Ich bin randvoll“ uns nicht ereilt. Das ist sicherlich ein guter Ratschlag. In der Praxis mache ich aber die Erfahrung, dass dieser Tipp nur bei einem geringen Teil wirklich ankommt. Die meisten sind früher oder später – trotz guter Ratschläge – wieder randvoll. Was ist da los? Was für ein Virus hat uns da infiziert? Hier ein paar Beispiele aus meinen Begegnungen mit Menschen bezüglich dieses Phänomens …

Wir sind zusammen im Vorstand eines christlichen Werkes und sind uns einig, dass es so nicht weitergehen kann. Wir wollen nicht mehr weiter Wert auf die ausufernden Aktivitäten legen, sondern wir wollen mehr Freiraum haben, um untereinander und zu Gott tiefere Beziehungen zu pflegen.
Am Ende des Abends versuchen wir dann einen Termin für das nächste Treffen zu finden. Dies stellt sich als der langwierigste und mühseligste Punkt des ganzen Abends heraus. Jeder ist „randvoll“ und verteidigt auf seine Art und Weise „seinen“ Terminkalender.

In bin im Gespräch mit einem langjährigen Mitarbeiter eines christlichen Werkes, der sich öfters mit anderen Leitern zwecks gegenseitigem Austausch, Anregung und Ermutigung trifft. Doch diese Treffen sind für ihn mehr Last als Lust. Oft kommt er von diesen Treffen mehr deprimiert als erquickt nach Hause. Im weiteren Nachfragen mit ihm entdecke ich, das – wahrscheinlich mehr unbewusst – gegenseitiges Vergleichen oder Profilierung seine Wahrnehmung prägt und seine Gefühle dominieren. Er fühlt sich schlecht, was der oder die anderen alles auf die Beine stellen, aber darüber kann er kaum mit jemand anders reden, weil er weiß, dass es nicht richtig ist, diesen Gedanken weiter Raum zu geben.

Ich bekomme einen Anruf von einer sich sorgenden Mutter. Das Treiben ihrer schon erwachsenen Kinder lässt sie nicht zur Ruhe kommen. In der Begegnung mit ihnen wird auf wirklich wohlmeinende Weise versucht, sie intensiv in die „richtige“ Richtung zu lenken. Aber das funktioniert nicht. Der Schlaf ist angegriffen. Die Kinder gehen auf Abstand. Die Ehe leidet. Die Seele leidet. Der Körper leidet.

Und so könnte ich noch viele Beispiele bringen. Bei allen dreien zieht sich beim näheren Hinsehen ein Grundproblem durch, das mit einem Wort charakterisiert werden kann: Loslassen!
Wie schwer das fällt! Wenn Gott uns etwas Neues schenken will, uns in neue Bereiche führen will, uns neues Land schenken will, gibt es eine Grundvoraussetzung: Wir müssen das Alte loslassen. Ohne das Loslassen des Alten gibt es keinen wirklichen Aufbruch in das Neue. In der Regel sind Loslassen und neu anfangen untrennbar miteinander verbunden. Beten wir nicht oft so: „Herr, gib uns einen neuen Aufbruch! Schenke uns einen neuen Geist! Gib uns ein neues Herz für meinen Partner, gib uns eine neue Leidenschaft für Dich, lass in unserer Mitte etwas Neues aufbrechen, es kann doch so nicht weitergehen!“
Wenn wir so beten, wird Gott uns erhören. Und wenn Er uns dann anfängt, das Alte wegzunehmen, um für das Neue offen zu werden, reagieren wir mit Unverständnis, Trägheit oder gar Rebellion. Dann bleibt erst mal alles beim Alten. Bis zu unseren nächsten Gebeten…

Es geht weiter in Teil II: Erfüllt oder voll?