In den Gleichnissen Jesu wie auch in der Kirchengeschichte spielen zwei große Gedanken immer wieder eine Rolle: Säen und ErntenIn der Bibel finden wir dazu etliche Beispiele, in der christlichen Literatur wird dazu viel geschrieben und oft beherrscht diese Thematik auf vielfältige Art und Weise die Tagesordnungspunkte von Gemeinden und Werken. Uns allen ist das ja wichtig: Das Reich Gottes zu bauen und darin zu helfen, den großen Missionsauftrag zu erfüllen. Und das ist auch gut so.
Zwischen Säen und Ernten gibt es aber noch einen dritten, einen vergessenen Aspekt, über den nur wenig nachgedacht und kaum geschrieben wird: Das Warten. Und doch ist es fundamental. Zwischen Säen und Ernten liegt ein nicht unerheblicher Zeitraum. Die Strategie ist also nicht nur säen und ernten, sondern: säen – warten – ernten!
WARTEN – Das ist ein Gräuel!
Diese vergessene Strategie ist nicht etwas, was uns im Kreislauf des Wachstumsprozesses sofort ins Auge springt. Sie erscheint uns so banal und unattraktiv. Sie entspricht nicht unserer aktiven Natur, die ja ständig im „busy-Sein“ sich bestätigt sehen will und schon gar nicht dem Zeitgeist, der unmittelbar Ergebnisse präsentieren muss.
Warten – wo anscheinend nichts geschieht. Das ist uns ein Gräuel. Warten? Bitte bei mir nicht! Unser ganzer Lebensrhythmus ist darauf eingestellt, dass aufgrund unseres Einsatzes möglichst schnell etwas Profitables sichtbar wird. Das ganze Leben in der Wirtschaft ist davon dominiert. Das Shareholder-Value der Aktionäre ist die Maxime, nach der Entscheidungen für den kurzfristigen Gewinn getroffen werden. Das Leben in der Politik ist davon tief berührt und verführt. Die Politiker können oder wollen nicht mehr langfristig planen und handeln, da in unserer „Stimmungsdemokratie“ unmittelbare Erfolge vorgezeigt werden müssen, um den Wähler bei Laune zu halten.
Die Fast-Food Gesellschaft prägt unsere Essensgewohnheiten. Das Warten von verliebten Paaren im sexuellen Bereich vor der Ehe erntet oft nur unverständiges Kopfschütteln. Die Einkaufs- und Konsumtempel verführen uns zu schnellen und spontanen Anschaffungen. Die Kleinanzeigen preisen uns einen Easy-Kredit an, damit wir unsere Wünsche nicht auf morgen verschieben.
Die ganze moderne Gesellschaft ist von diesem hektischen und unruhigen Geist geprägt, der auf kurzfristigen Gewinn setzt. Und wir als Christen sind davon ebenso berührt wie andere Menschen auch. Und wie von selber übernehmen wir diese Perspektive in unser geistliches Leben.
Aber schon in der Natur wird es deutlich. Die meiste Zeit zwischen Säen und Ernten ist: das Warten. In der Schrift sehen wir, dass Gott es in der Regel nicht unbedingt eilig hat – im Gegensatz zu uns. Mose wartete 40 Jahre in der Wüste. Er war 80 Jahre alt, bevor es mit seinem Auftrag weiterging. Jesus wuchs 30 Jahre in der Verborgenheit von Nazareth auf, ehe er auf der öffentlichen Bühne der damaligen Zeit erschien. Paulus verschwand nach seiner dramatischen Bekehrung auf dem Weg von Damaskus erst mal etliche Jahre in seiner Heimatstadt, ehe ihn Gott durch Barnabas wieder in sein Arbeitsfeld rief. Oft wissen wir wenig bis nichts, was in solchen verborgenen Jahren geschah – und doch ist gerade diese Zeit von so großer Bedeutung.
In der Zeit des Wartens geschehen die kleinen, unbedeutenden Dinge, die dennoch so wichtig sind. Das eigentliche Wachstum ereignet sich genau in dieser Zeit – man sieht nur nichts. Das gilt für Menschen, die mit Jesus unterwegs sind ganz genauso wie für jeden anderen.
Es ist bei Menschen, die Jesus nicht kennen, oft die Zeit, wo die Einsicht wächst, dass das ursprüngliche Lebenskonzept rissig und spröde geworden ist. Es ist die Zeit, wo sie die Leere in ihrer Seele spüren. Es ist die Zeit, wo die Sehnsucht nach etwas anderem wächst. Es ist die Zeit, wo sie hungrig und durstig für ein neues Leben werden. Das braucht Zeit. Manchmal viel Zeit, weil wir Menschen so ambitioniert und so stolz sind.
Haben wir das Leben in Christus gefunden, ereilt uns oft der große Irrtum, dass jetzt alles ganz schnell besser wird. Dass uns jetzt der große Traum vom schnellen Glück ereilt. In der Regel ist das aber nicht so, sondern auch hier gilt das Naturgesetz: Gutes Wachstum braucht Zeit.
Dies erkenne ich nicht nur in meinem eigenen Leben, sondern auch in der Begleitung von anderen Menschen. Wie oft – habe ich mich gefragt – muss eigentlich XY seine „Ehrenrunden“ drehen, ehe er weitergehen kann und grünes Licht für den nächsten Entwicklungsschritt bekommt. Hierbei geht es in der Regel selbst bei gestandenen Mitarbeitern nicht um weitergehende Entwicklungen, sondern schlicht und einfach um die Grundlagen unseres christlichen Lebens: Vergebung und Versöhnung, Bekennen und Loslassen, innige Gemeinschaft mit Gott pflegen, Freundschaften bauen und leben… usw. Dafür hat Gott offensichtlich eine lange Zeit des Reifens und Wartens eingerichtet – bis wir es tief in unseren Herzen ergriffen und verstanden haben – und wir endlich soweit sind: Unser altes Verhalten uns anödet, wir es wirklich leid sind und es endlich loslassen.
Ich höre Dich schon sagen: Ja, aber was sollen wir denn machen? Wie sollen wir denn nun warten: Zwischen Säen und Ernten! Einfach nichts tun und ständig in den Fernseher gucken? …
Lies weiter in: Die vergessene Kunst des Wartens Teil II