Unsere Grenzen – Ärgernis oder Segen? Teil II

Es gab noch jemanden, der keine Grenze für sich wahrhaben wollte: Luzifer! Von ihm heißt es: „Du aber gedachtest in deinem Herzen: Ich will in den Himmel steigen und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen … ich will auffahren über die hohen Wolken und gleich sein dem Allerhöchsten.“ (Jes. 14,13+14)

Grenzen und Glauben

Wir alle wissen, dass dieses Ansinnen gescheitert ist, ja, dass ihm glücklicherweise Grenzen gesetzt worden sind.
Auch der Apostel Paulus musste erkennen: Es waren ihm Grenzen gesetzt. Sein Gebet wurde nicht erhört, als er Gott darum bat, eine Plage – was immer es auch war – von ihm zu nehmen (2. Kor. 12,8). Er erlebte beides: Grenzüberschreitende Erlebnisse, so dass selbst seine Schweißtücher die Kranken heilten, aber er musste ebenso erfahren, dass engste Mitarbeiter nicht geheilt wurden oder krank blieben. Timotheus gab er wegen seiner Krankheiten einen wohlmeinenden Rat: „Trinke ab und zu ein wenig Wein, um des Magens willen und weil du oft krank bist.“ (1. Tim. 5,23) und Trophimus – einen anderen engen Mitarbeiter – musste er in Milet krank zurücklassen (2. Tim. 4,20).
Und wie Paulus geht es wohl uns auch! Uns sind Grenzen gesetzt – und das hat auch seinen guten Sinn. Gott hat den Menschen nach seinem Bilde geschaffen. Er hat ihm etwas Grenzenloses, Schrankenüberwindendes ins Herz gelegt. Doch nach dem Sündenfall zieht Gott einen Riegel, eine Grenze in den Lauf der Geschichte und in persönliche Schicksale mit ein.
Diese Grenzen merken wir insbesondere in Krankheitsphasen. Ich erinnere mich, dass solche Phasen in jungen Jahren oft nur eine kurze Auszeit vom Alltag waren, die zwar unangenehm, aber eben eine Ausnahme war. Und danach ging es weiter wie gehabt. Anders ist es schon bei längeren Krankheiten, Behinderungen oder wenn der Verfall des Alters spürbar einsetzt. Wir merken, dass die Grenzen sich dann verschieben – zu unseren Ungunsten. Für viele ein schwer durchlebbarer Prozess. Die engeren Grenzen werden schmerzhaft spürbar. Die Leistungsfähigkeit lässt nach, physisch wie psychisch. Wie gehen wir dann damit um?
Wenn wir diesen Grenzen begegnen, wollen wir sie oft erst einmal nicht so richtig wahrhaben, verstehen sie auch manchmal nicht, verdoppeln womöglich unsere Anstrengungen, werden eventuell aggressiv: gegen uns selbst wie auch gegen andere. Oder wir bringen sogar Gott deswegen noch auf unsere innere Anklagebank. Der Gedanke, die Grenzen willkommen zu heißen und dahinter evtl. Gottes Wirken zu sehen, ist uns erst einmal fremd.
Ich jedenfalls bin mit meinen engeren Grenzen oft genug am Hadern. Aber gerade das Loslassen seiner pathologischen Anstrengungen oder Akzeptieren der Begrenzungen bewirkt eine gesündere Perspektive. Auch der Stolz auf den eigenen Verdienst versiegt dann fast wie von selbst, da dort nicht mehr so viel zu holen ist. Der Gedanke, die Hilfe von anderen in Anspruch zu nehmen oder sich helfen zu lassen kommt einem viel eher ins Bewusstsein und rückt einen von der Selbstzentriertheit mehr in die Gemeinschaft hinein. Und ganz zwangsläufig wächst ein neues Pflänzchen auf: Das Vertrauen oder der Glaube in Gottes Möglichkeiten und weniger mit eigener Anstrengung die Dinge zu erreichen. Dieses Spüren und Erleben der eigenen Grenzen kann in weiterer Konsequenz bewirken, dass ich mich vermehrt Gott zuwende und IHM meine Anliegen in die Hände gebe. Und für IHN spielt es keine Rolle, ob ich viel oder wenig bringe. Ich gebe IHM, was ich eben habe. Jesus war es bei der Speisung der 5000 in der Tat egal, ob der kleine Junge fünf Brote und zwei Fische hatte oder nur einen Fisch und ein halbes Brot vorweisen konnte. IHM ist es nicht schwer, durch viel oder wenig zu helfen. Eine Aussage aus Psalm 147,12 geht mir in diesen Tagen immer wieder mal durch den Sinn und untermauert diesen Gedanken noch, wo Gott deutlich ausspricht, was ihm gefällt und was nicht: „Er hat keine Freude an der Stärke des Rosses und kein Gefallen an den Schenkeln des Mannes. Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen.“ (Ps. 147, 10+11)
Hier wird es deutlich, dass Gott unserer inneren Gesinnung „schneller, höher, weiter“, nach der wir uns unbewusst oft ausrichten, entgegensteht und dich und mich einen anderen Weg führen will. Auf diesem Weg können wir lernen, mit unseren Grenzen umzugehen und unser Vertrauen jenseits dieser Grenzen auf IHN setzen. Und tatsächlich: Manchmal erleben wir, dass es passiert, es kommt etwas aus der unsichtbaren Realität in die sichtbare Welt: Wir erfahren dann, dass wir „mit Gott über Mauern springen können“, wie es in Psalm 18 geschrieben steht. Nicht wie und wann wir wollen, sondern wie und wann ER es will. Das klappt wohl nur, wenn wir vorher unsere eigenen Gedanken und Pläne losgelassen haben und unsere uns gesetzten Grenzen schmerzlich gespürt haben. Vorher sind wohl viele nicht in der Lage oder willens dies als ihren persönlichen Turmbau zu Babel oder ihr „schneller, höher, weiter“ wahrzunehmen und sich dann davon zu lösen.
Was denkst du, wie ist das bei Dir? An dich – als Empfänger und Leser – möchte ich an dieser Stelle – gleich einige Impulse dazu als Fragen mitgeben:
  • Wie und wo erlebe ich meine persönlichen Grenzen? Wie gehe ich derzeit damit um?
  • Inwieweit kann ich diese Grenzen von Gott her begreifen und auch annehmen?
  • Was hat Gott mir dadurch zu sagen?
  • Wie erfahre ich Gottes Fürsorge und Nähe innerhalb meiner Grenzen?
  • Inwieweit eröffnen sich für mich durch Gottes Gnade erweiternde Grenzüberschreitungen?
Dies könnt ihr für euch alleine in der Stille reflektieren oder sogar mal vorschlagen in eurer Kleingruppe oder Hauskreis darüber auszutauschen.